Wenn ich heute mit jungen Digital-Unternehmer*innen spreche, identifizieren die mich recht schnell als „ah, du bist einer der Dotcoms“. Ich lausche dann kurz dem Klang nach, nehme aber in der Regel keinen negativen Unterton wahr.
Das war weiß Gott nicht immer so. Nach dem Crash der Dotcom-Blase 2001 war ich als New Economy Kid eher unten durch. Dotcom stand für die ersten Geschäfte im Internet, für den riesigen Börsenhype, die Volksaktien, die Kapriolen der Dotcom-Millionäre und schließlich das krachende Zusammenbrechen des Traums. Auch unzählige Privatleute verloren Geld an der Börse. Selbst in meinem Freundeskreis wurden mit Aktien von Internet-Portalen dicke Verluste gemacht. Mir gab eine ganze Zeit lang niemand mehr ein Bier aus an der Bar.
Dabei fühlten wir Netzpiloten uns immer deutlich außerhalb des großen Zirkus. Wir waren aus fester Entscheidung nicht auf die Startbahn zur Börse gerollt (erzähle ich demnächst mal). Wir waren keine Agentur, hatten keine Etat-Kunden zu beeindrucken oder zufriedenzustellen. Das verschonte uns schon mal vor sehr vielen Repräsentationspflichten. Wir konnten in allem so sein, wie wir wollten.
Ich brachte 1997 nach einem lebensverändernden Jahr in San Francisco für mich das Leitbild einer ultra-lässigen Indie-Firma mit in die Hamburger Schanze. Die Netzpiloten waren die längste Zeit ein bunter Haufen junger Leute, die eigene werbefinanzierte Angebote fürs Internet entwickelten und betrieben. Typisch für uns Dotcoms: wir warfen uns mit großer Begeisterung in die unternehmerischen Freiheiten, wollten was aufbauen, wollten andere Karrieren machen als unsere Eltern.
Und aber hallo: Wir fühlten uns natürlich als etwas mega Besonderes. Alle Welt schaute auf uns Start-ups. Wir waren das Zentrum des großen Hypes. Seit Mitte der 90er Jahre pumpten Investoren unvorstellbare Summen in die sogenannte New Economy. Jeder und jede von uns fühlte einen nie dagewesenen Aufbruch in eine neue Wirtschafts- und Arbeitswelt: digital, international, abenteuerlustig. Ich vermisse diese positive Energie!
Die „Old Economy“ unserer Eltern war abgewählt. Auch ihre Leitmedien. Uns interessierte es null, im Handelsblatt, Manager Magazin oder Börsenblättern vorzukommen. Wir verehrten von der ersten Ausgabe an ECONY (heute Hashtag#brandeins). Sie erzählten Wirtschaft neu und Gabriele Fischer führte das Magazin als Start-up mit allen Auf- und Abs. Eine von uns.
Nach dem großen Crash schlich ich mich 2004 undercover zu einem der ersten Blogger*innen Stammtische. Mich begeisterten die neuen Content-Macher, die aber auch als sehr kommerz-kritisch galten. Würden sie mit uns arbeiten wollen? Sie wollten erfreulicherweise (unser Netzpiloten Blogger Network entstand). – Aber nicht ohne mich erstmal klar auf meinen Platz zu verweisen: „ihr seid halt schon sehr Web 1.0.“
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